Single Engine IFR

Einführung
Das Thema der IFR-Fliegerei beziehungsweise bzw. Fliegerei bei Nacht mit einmotorigen Flugzeugen wird kontrovers diskutiert, ganz gleich, ob es sich um einen gewerblichen oder nichtgewerblichen Flug handelt. Da bei der Betrachtung nicht nur Leib und Leben der Insassen zu betrachten ist, sondern auch das Risiko von Drittschäden am Boden, wird die Meinungsvielfalt groß sein.
Dabei stellt sich auch die Frage, warum denn – hinsichtlich der Anforderungen – der gewerbliche Verkehr stark reglementiert wird, der nichtgewerbliche Verkehr hingegen kaum. Man könnte die makabere Frage stellen, ob Menschen auf einem gewerblichen Flug „wertvoller“ sind als die auf einem nichtgewerblichen Flug.
Bedenken muss man auch, auf welche Region der Erde sich die Betrachtung bezieht. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir eine Bevölkerungsdichte von 232 Einwohner pro Quadratkilometer, in Holland sind es sogar 417, in Belgien 376 und in USA sind es hingegennur 33! Amerikanische Hersteller betrachten daher die Europäer ungerecht, wenn diese als konservativ bezeichnet werden.
Die Gegner dieser Argumentation führen ins Felde, in den USA gäbe es ja auch große dichtbesiedelte Gebiete, wie z.B. New York, und andere Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte. Dies ist eine etwas schwache Argumentation für einen Vergleich. Auch wird oft betont, die Triebwerksausfallrate von heutigen Triebwerken – speziell von Turbinentriebwerken – sei sehr niedrig. Dies ist unbestritten, erklärt aber trotzdem nicht, warum ein einmotoriges Flugzeug so sicher sein soll, wie mehrmotorige Flugzeuge. Selbst kleine Zweimots haben bei Triebwerksausfall im Reiseflug im Allgemeinen immer noch „etwas mehr“ an Sicherheit zu bieten als ein einmotoriges Flugzeug.
Man muss sich nur die Situation vorstellen, wenn ein einmotoriger Turboprop mit 8 Insassen bei Nacht über dem Ruhrgebiet in IMC und vielleicht sogar in Vereisungsbedingungen fliegt und dann einen Triebwerksausfall hat.

Zuverlässigkeit der Triebwerke
Es wurde schon bemerkt, dass die Verlässlichkeit moderner Triebwerke in der heutigen Zeit sehr hoch ist, speziell die der Turbinentriebwerke, doch ….. es gibt leider trotzdem Ausfälle, mit meist fatalem Ausgang. Nicht vergessen darf man dabei, dass oft bei derartigen Ausfällen das Triebwerk selbst nicht ausfällt, sondern irgendwelche Assessories aber mit dem gleichen Resultat.

Wirtschaftliche Aspekte
Es gibt einfache Betrachtungen zwischen Einmots und Mehrmots und sie scheinen auf den ersten Blick alle zu Gunsten der Einmots zu zeigen, also den günstigen Beschaffungspreis und die Betriebskosten! Da wird – spitz formuliert – gesagt, ein Triebwerk und möglicherweise nur ein Pilot, das ist doch kostengünstiger …..
Betrachtet man aber die Auflagen des Abschnitts L zum Anhang V(SPA) der EASA Air Operations für den gewerblichen Betrieb, so könnte man sich doch die Frage stellen, ob es nicht am Ende mit einem Einmot nicht doch teurer kommt, wenn man alle Auflagen (einschließlich einer betrieblichen Überwachungsorganisation) erfüllt und dabei auch noch unter Beachtung aller Auflagen nicht dieselbe operationelle Flexibilität und Sicherheit hat, als bei einem normalen Betrieb mit einem mehrmotorigen Turboprop oder gar Jet.

Single-Engine Turbine Aeroplane Operations in IMC oder bei Nacht
In EASA CAT.POL A – also den gewerblichen Luftverkehr betreffend – steht zu lesen, dass keine Flüge mit einmotorigen Flugzeugen bei Nacht oder in IMC gestattet sind, solang dafür keine offizielle Genehmigung nach Unterabschnitt L (SET-IMC) vorliegt. Was steht in diesem 15-Seiten Dokument?
Zunächst einmal ist die Zuverlässigkeit des Flugzeugtyps (Kombination Zelle/Triebwerk) nachzuweisen, ebenso auch ein spezielles Wartungsprogramm mit einem „trend monitoring system“ (es sei denn ein automatisches monitoring system wäre eingebaut).
Zusammensetzung der Flugbesatzung – ein spezielles Training-Checkprogramm ist zu erstellen. Besondere Betriebsvorschriften sind zu erfüllen, darin sind Themen wie MEL, Flugplanung, normale Verfahren sowie Notverfahren (incl. Notverfahren bei Berücksichtigung der Wetterbedingen) sind zu behandeln.
Dabei ist auch ein Überwachungsprogramm für Zwischenfälle einzurichten, die eine laufende Risikoanalyse erlaubt.
Eine jährliche Aufstellung der Anzahl der Flüge (mit Flugstundenangabe) sowie Berichte über irgendwelche Zwischenfälle sind der Behörde zu übermitteln. Im Trainingsprogramm sind auch Themen wie Conversiontraining and Checking, Recurrent Training und die Verfahren für die Nutzung eines Simulators (so vorhanden) anzusprechen.
Die Mindestbesatzung beträgt 2 Piloten solange der Pilot nicht mindestens 100 Stunden unter IFR auf dem Typ nachweisen kann.
Die Flugplanung stellt besondere Anforderungen. Generell gilt, dass die Streckenführung (siehe Para A.320) es erlauben sollte, bei Triebwerksausfall ein zur Notlandung geeignetes Gelände erreichen zu können. Besonders sind auch Flüge zu berücksichtigen, die über Wasser, über zur Notlandung ungeeignetem Gelände (z.B. Gebirge) sowie über Gegenden mit dichter Besiedlung führen.
Eine maximale Zeit, indem ein Flug einem Risiko bei Flügen über dem zuvor beschriebenen Gelände ausgesetzt ist, darf 15 Minuten auf jedem Flug nicht überschreiten. Der Betreiber muss Kriterien festlegen, nach der jede einzelne Strecke hinsichtlich der Eignung zu beurteilen ist (auch: Flugplätze auf Strecke, Hindernissituation, Streckenwetter), speziell auch sind die Kriterien für die Eignung des für eine eventuelle Notlandung vorgesehenen Geländes zu definieren (auch im NAV-System einzugeben) und jeweils zu überprüfen. Eine Spezifikation der Kriterien findet sich in GM 2 zu SPA.SET-IMC.105(d)(2).
Von der Ausrüstung her, werden zwei unabhängige Stromquellen, zwei unabhängige Ladeanzeiger, Schultergurte für Passagiersitze, WX-Radar, eine Sauerstoffanlage (Kabinenhöhe 13000 ft), ein mit den Positionen der Notlandeflächen programmierbares Flächennavigationsystem, Radiohöhenmesser und besondere Landescheinwerfer gefordert.
Dies sind alles Forderungen, die ggfs. erfüllbar sind.
Im Zusammenhang mit den Notlandeflächen, der erschwerten Streckenführung, den gegebenen Wetterbedingungen und der daraus sich ergebenden Flugplanung wird deutlich, dass nicht dieselbe Flexibilität gegeben ist, als beim IFR-Betrieb von Zweimots!
Nicht vergessen werden darf die flugbetriebliche Überwachung am Boden; hier sind die erweiterten Forderungen von EASA ORO GEN 110 AMC 1 und GM zu erfüllen.
ALSO: im Prinzip ist SET-IMC möglich, aber ….. mit viel Aufwand und Einschränkungen der betrieblichen Flexibilität.

Nichtgewerblicher Einsatz SET-IMC
Hierzu gibt es erstaunlicherweise kaum irgendwelche Auflagen und der Betreiber muss wissen, welches Risiko er bei SET-IMC – gegenüber dem Betrieb einer Zweimot – eingeht. Wie eingangs geschildert, geht es ja nicht nur um die Insassen es Flugzeuges sondern auch um die Menschen am Boden.

Fasst man zusammen:

  • Verhältnisse in Zentraleuropa unterscheiden sich bei der Bevölkerungsdichte gravierend von der beispielsweise in den USA oder Australien
  • Hohe Zuverlässigkeit heutiger Triebwerke, aber doch nur ein Triebwerk = reduzierte Sicherheit
  • Bei Berücksichtigung aller Auflagen für den gewerblichen Verkehr gibt es kaum wirtschaftliche Vorteile, hingegen Einschränkungen in der Flexibilität beim Einsatz (z.B.15 Minuten-Schwelle, Flugplanung, Wetter).
  • Verwunderlich, dass es kaum Auflagen für den nichtgewerblichen Verkehr gibt.

Autor

Jürgen Mihlan

2022-12-06T17:25:21+01:006. Dezember 2022|News, Standpunkt|Kommentare deaktiviert für Single Engine IFR
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