Der Starfighter in 2021 oder The Upper Limit of Performance

Es gibt sie noch, die verborgenen Schätze der zivilen Luftfahrt.

Eine Firma mit dem bescheidenen Namen Starfighter Inc. in Florida. Sie befindet sich in einem unscheinbaren Hangar ohne Firmenschild am Südende der NASA Shuttle Landing Facility KTTS in Cape Canaveral. Dieser Hangar beherbergt einen für Luftfahrtbegeisterte ganz besonderen Schatz. Die letzten fliegenden Starfighter F-104, wie andere Ikonen der Luftfahrt (Electra, P-38, P-80, US, SR71) entworfen vom legendären Konstrukteur Clarence „Kelly“ Johnson 1953, ab 1956 als F-104A bei Lockheed und später in anderen Varianten bei internationalen Herstellern in Serie gebaut.

Geführt wird Starfighter Inc. von CEO Rick Svetkoff, COO Piercarlo Ciacchi und CFO Evan Dick. Mit vier weiteren Mitarbeitern werden hier die letzten F-104 in USA zivil betrieben, wobei es noch ein lufttüchtiges Exemplar in Norwegen gibt. Starfighter Inc. nutzt verschiedene Typen der F-104 zum Training von Testpiloten, sowie als Überschalltestplattform im Auftrag von US Air Force, der NASA und zivilen Unternehmen. Das Geschäftsmodell liegt in der Nutzung der einzigartigen Flugleistungen der F-104 bis Mach 2.2 und in Flughöhen über 90.000 Fuß. Reichweiten- und flugdaueroptimiert sind Flughöhen von 60.000 bis 70.000 Fuß möglich. In der letzten Version stehen in der F-104S/ASA-M bei einer maximalen Abflugmasse von ca. 30.000 lbs der Schub aus dem J79-GE-19 von 17.900 lbs gegenüber. Die TF-104G hat eine maximale Abflugmasse von 26.000 lbs bei etwas weniger Schub. Es ist erstaunlich, aber die Kosten für den Einsatz einer F-104 liegen weit unter denen für die Anmietung eines Überschallwindkanals. Als Testträger wird aufgrund der höheren maximalen Flugdauer die einsitzige Version, für Trainingszwecke die doppelsitzige Version verwandt.

Möglich wird das alles erst durch die wohlwollende Unterstützung verschiedener Beteiligter, insbesondere der NASA. So kann Starfighter Inc. den Firmensitz auf dem NASA-Gelände mit seiner 4.575m langen und 91m breiten Bahn betreiben und die Flüge in der östlich angrenzenden Restricted Area durchführen. Diese Restricted Area wird per Anmeldung eines Flugplans für eine Stunde von der NASA gesperrt. Ansonsten wären Flüge in den benötigten großen Höhenbändern bis in den Überschallbereich durch Flugsicherungsdienste nicht darstellbar.

Entstanden ist der heutige Betrieb mit acht Starfightern aus der Kunstflugformation Starfighter, welche von Rick Svetkoff gegründet wurde. Er ist ehemaliger Pilot der US-Navy, pensionierter Airlinekapitän und fliegt heute mit Piercarlo Ciacchi, ehemaliger Pilot der italienischen Luftwaffe und Seniortrainer der Frecce Tricolori, diese Flugzeuge mit ihrer außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit. Der in der Warbirdszene bekannte Wolfgang Czaia war ebenfalls hier engagiert.

Die frühen, für die Formationen geflogenen Maschinen stammen aus Kanada, die heute geflogenen Flugzeuge stammen von der italienischen Luftwaffe, welche 2004/2005 ausgemustert wurden. Durch Kontakte Piero Ciacchis konnten diese Flugzeuge, ebenso wie Triebwerke und Teile aus den Beständen der italienischen Luftwaffe in die USA gebracht werden.

Derzeit verfügt Starfighter Inc. über folgende Flugzeuge in der Flotte:

Typ Herkunftsland Kennzeichen Baunummer
F-104S ASA-M Italien N-993SF #6734
TF-104G Italien N-992SF #54261
TF-104G Italien N-991SF #51258
TF-104G Italien N-990SF #54251
F-104B USA N-65354 #57-1296/901
CF-104G Kanada N-104RN #104759
CF-104G Kanada N-104RD #104850
CF-104D Kanada N-104RB #104632

Bis auf die N-65354, welche demontiert ist, sind die F-104 lufttüchtig. Die N-65354 hat eine wechselvolle Geschichte. Unter anderem wurde sie bei der jordanischen Luftwaffe vom König Hussein geflogen und war die einzige je gebaute doppelsitzige F-104 mit Bordkanone. Eigenwilliger Weise wurde die Bordkanone später sogar nachgerüstet.

Die Instandhaltung der Flugzeuge erfolgt im eigenen Wartungsbetrieb nach einem FAA-zugelassenen Wartungsprogramm für Experimentalflugzeuge. Das erleichtert erheblich den Betrieb und die Ausrüstung der Starfighter. So werden wartungsintensive Geräte, wie die mechanischen INS üblicherweise nur für Einsätze eingerüstet, bei welchen diese benötigt werden.

Bei der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit ist erstaunlich, daß nicht etwa Triebwerke der Engpass sind. Für die Überholung der General Electric J-79 in ihren verschiedenen Derivaten beauftragt Starfighter Inc. eine kanadische Firma. Das grösste Problem sind die nach Ablauf zu ersetzenden Treibsätze der Lockheed-Schleudersitze in den kanadischen F-104G, welche heute nicht mehr zu beschaffen sind. Diese Sitze werden heute zwar noch von der US-Airforce in den U-2 eingesetzt, aber Ersatzteile sind dort nicht zu bekommen. Eine Umrüstung auf Martin-Baker Sitze ist derart aufwendig, so daß nur Einzelanfertigungen der Treibsätze für hohe sechsstellige Beträge pro Treibsatz möglich wären. Denkbar wäre zwar ein Betrieb der Starfighter mit „kalten“ Schleudersitzen, was aber aus naheliegenden Gründen nicht geschieht. Daher werden die kanadischen Flugzeuge trotz sehr guten Zustandes wahrscheinlich an Museen gehen.

Auch die Beschaffung von Reifen, welche maximal sechs bis acht Landungen standhalten, schafft eine Herausforderung. Aufsetzgeschwindigkeiten beim Landen um 175 Knoten fordern da ihren Preis, so daß beim Training gern mal auf Touch and Go’s zugunsten von gesparten Reifenwechseln verzichtet wird.

Geflogen wird mit nur zum Teil gefüllten Tiptanks, was bei den Doppelsitzern zusammen mit den Tanks im Rumpf zu einer ausfliegbaren Kraftstoffmenge von maximal 6.900 lbs führt. Berücksichtigt man, daß um eine sichere Kraftstoffversorgung zu gewährleisten, die Landung bei spätestens 1.000 lbs anzeigtem Tankinhalt zu erfolgen hat, reichen die 5.900 lbs Jet A1 immerhin für 30-35 Minuten Flug mit Nachbrennerstart, Machrun in FL250, „Shuttleapproach“ und ein paar Platzrunden. Es ist ein beeindruckender durchschnittlicher Fuelflow von gut 12.000 lbs/h und 30.000 lbs/h beim Start mit vollem Nachbrenner. Interessanter Weise wird der Fuelflow des Nachbrenners im Cockpit nicht angezeigt. Lediglich für den Treibstoff, welcher in die Brennkammer geht und der Gesamtkraftstoff an Bord gibt es ein Instrument..

Derzeit entwickelt sich die Auftragslage bei Starfighter Inc. positiv, so daß die Aussichten für einen Erhalt dieser faszinierenden Flugzeuge im Flugbetrieb sehr gut sind.

Autor

Thomas Grote
Diplom-Ingenieur
Sachverständiger im VdL e.V.
Flugkapitän
Email: mail@svl-grote.de
2022-01-11T20:00:31+01:0011. Januar 2022|News, Technik|Kommentare deaktiviert für Der Starfighter in 2021 oder The Upper Limit of Performance
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